Donnerstag , der 28. März 2024 , 18:42 Uhr
Klick: Zur Startseite. Zeigen ohne Klick: Kontaktdaten.
Email an uns

Qualität

Zur Frage, was die Qualität einer Hausarztpraxis ausmacht, gibt es keine verbindlichen Kriterien. Vielmehr hängt es erheblich vom Blickwinkel und den Erwartungen ab, ob die Arbeit einer Praxis für „gut“ befunden wird.

Qualitätsmanagementsysteme

Der Gesetzgeber hat den Ärzten vor einigen Jahren vorgeschrieben, „Qualitätsmanagementsysteme“ in den Praxen einzurichten, hat aber den Begriff der Qualität nicht definiert.

Die Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg beschrieb 2004 das Ziel des Qualitätsmanagements: „Qualitätsmanagement zielt prinzipiell darauf ab, dass Abläufe so stattfinden, wie sie geplant waren."
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung listet etliche Effekte auf, die ein Qualitätsmanagement erzielen soll. Leider sind weder sogenannte Endpunkte wie die Verminderung von Todesfällen noch Ziele wie längeres selbstständiges Leben der Patienten im Alter dabei.

Unsere Vorgaben und Ziele

sind aber genau solche, zum Beispiel:

Die Liste ließe sich fortsetzen. Worauf es mir hier ankommt, ist:

Ergebnis

Ich will mich in diesem Text vorzugsweise mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in erster Linie Herzinfarkt und Schlaganfall, beschäftigen, weil sie

Wenn man als Hausarzt den Effekt der Bemühungen mit den bundesweiten Bevölkerungsdaten vergleichen will, stößt man auf das Problem, dass die Patienten einer Hausarztpraxis keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung bilden,  u.a. weil junge und gesunde Leute selten zum Arzt gehen. Deshalb kann man nicht einfach die Ergebnisse innerhalb der Praxis auf die Gesamtbevölkerung hochrechnen.
Ich betrachte daher die Zahl der Herz-Kreislauf-Todesfälle in meiner Praxis im Vergleich mit der zweithäufigsten Todesursache, den bösartigen Tumoren, die beide stark vom Lebensalter abhängen. In der folgenden Tabelle werden dazu die Tumortodesfälle gleich 100% gesetzt und aufgelistet, wie viele Herz-Kreislauf-Todesfälle im Vergleich dazu vorgefallen sind.

Nach 13 Jahren kassenärztlicher Tätigkeit sah die Bilanz zum Ende 2010 so aus:

 

Herz-Kreislauf-Todesfälle

Todesfälle wg. bösartiger Neubildungen (Tumoren)

Ursache "Herz-Kreislauf" im Verhältnis zu "Tumor"
(Tumortodesfälle = 100% gesetzt)

Bundesweit
(statistisches Jahrbuch 2008)

356729

216010

160%

Praxis Dr. Stähler (1997 bis 2010)

24 (Herz 21, Schlaganfall 3)

41

62%

Fazit:
Angenommen, Tumoren als Todesursache seien in meiner Praxis gleich häufig gewesen wie im Bundesdurchschnitt, so ergibt sich, dass die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Todesfällen bei knapp unter 40% vom Bundesdurchschnitt gelegen hat (62% / 160% = 0,3875). Der Stand zum Jahresende 2016 ist, dass es in der Privatpraxis seit 2011 zwei Herztodesfälle gab, von denen einer durch eine andere Erkrankung verursacht wurde. Es gab keinen Schlaganfalltoten und zwei Todesfälle durch Tumoren. Die häufigste Todesursache ist zur Zeit die Infektion bei multimorbiden Patienten durch multiresistente Bakterien.

Bei dieser Abweichung kann es sich um die Auswirkung entsprechender Bemühungen der Praxis, also um Qualität, handeln; sie könnte aber auch durch Zufall oder durch eine unangemessen hohe Tumorsterblichkeit zu Stande gekommen sein.

Zur Zufälligkeit:
Mit Ausnahme des Jahres 1997 (dem Jahr der Praxisübernahme) waren die Herz-Kreislauf-Todesfälle bis 2010 jedes Jahr seltener als die Tumortodesfälle, ingesamt 13 Mal hintereinander. "Normalerweise" hätten sie in den meisten Jahren häufiger sein müssen. Bei gleicher Wahrscheinlichkeit für zwei Ereignisse (z.B. beim Münzwurf) wäre die Wahrscheinlichkeit, 13 Mal hintereinander das gleiche Ergebnis zu bekommen, 1 : 8192, das sind ca. 0,012 %.

Zu den Tumortodesfällen:
Hier vergleiche ich die Ergebnisse meiner Praxis mit den Daten, die von der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister auf ihrer Internetpräsenz (www.gekid.de) veröffentlicht werden. Unter der Vorstellung, dass (zu) späte Diagnosen schlechtere Heilungschancen und damit vermehrte Sterblichkeit nach sich ziehen sollten, verwende ich als Kennzahl die Sterblichkeitszahlen („Mortalität“) im Verhätnis zu den neu aufgetretenen Fällen („Inzidenz“):

 

Neu diagnostizierte bösartige Erkrankungen (Inzidenz)

Im Zeitraum verstorbene Tumorpatienten (Mortalität)

Verhältnis Mortalität <-> Inzidenz

Bundesweit 2008 
(GEKID-Atlas)

466945

215442

46%

Praxis Dr. Stähler 2008-2010

23

6

26 %

Wenn die geringere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit durch allzu hohe Tumorsterblichkeit vorgetäuscht wäre, hätte die Tumor-Mortalität in meiner Praxis 2,5 mal höher liegen müssen als im Bundesdurchschnitt. Tatsächlich lag sie aber bei ca. 57% vom Bundesschnitt..

Neben den Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es noch etliche weitere Themen wie z.B. die bereits genannten bösartigen Krankheiten, Lungenerkrankungen (für die eine deutliche Zunahme an Häufigkeit und Bedeutung vorhergesagt wird), Medikamentenwechselwirkungen und andere, um die man sich als Hausarzt zu kümmern hat, die aber hier nicht alle abgehandelt werden können. Statt dessen will ich abschließend auf eine meines Erachtens bedeutsame Entwicklung hinweisen:

Eine wesentliche Kennzahl, nämlich die gesunden bzw. beschwerdefreien Lebensjahre ab dem Alter von 65 Jahren („healthy life years“), hat sich in den letzten Jahren in Deutschland nicht sehr günstig entwickelt.
Die entsprechende Statistik ist im Jahr 2012 mit geänderter Methodik für die Jahre ab 2004 neu berechnet worden, und weil der Einbruch hinsichtlich der gesunden Lebensjahre zwischen 2003 und 2005 liegt, ist ein Vergleich mit den Jahren davor nicht mehr auf einen Blick möglich.
In der folgenden Tabelle habe ich deshalb die Daten von 2005 bis 2009, wie sie vor der Neuberechnung veröffentlicht wurden, mit einbezogen. Damit können Sie sich ein Bild machen, welchen Unterschied die neue statistische Methode ausmacht.
Die Kurvengruppe rechts unten im Diagramm repräsentiert die gesunde Lebenserwartung nach der alten und der neuen Berechnungsmethode, Angesichts der geringen Unterschiede wird man die neue Berechnungsmethode kaum als Grund für die Benachteilung der deutschen Bürger gegenüber dem Durchschnittseuropäer ins Feld führen wollen.



Die Daten finden sich im Internet auf den Eurostat-Seiten der EU.

Das einzige Ereignis überdurchschnittlicher Größenordnung, das mir im näheren Zeitrahmen einfällt, ist die Einführung der Disease-Management-Programme, die seit 2002 an den Risikostrukturausgleich gekoppelt wurden, so dass es für die Krankenkassen zur finanziellen Überlebensfrage wurde, die Programme flächendeckend duchzusetzen. Deren Bilanz ist:

Da die Gesamtmittel begrenzt sind und die Kosten nicht durch bessere Effizienz kompensiert wurden, liegt der Schluss nahe, dass andere Dinge dafür wegfallen mussten. Falls diese anderen Dinge unnütz gewesen sein sollten, wäre es nicht schade darum; andernfalls aber müsste diskutiert werden, ob der Beitragszahler unter dem Strich geschädigt wurde.

Letztlich ist nicht klar, ob es sich um ein zufälliges Zusammentreffen oder um einen ursächlichen Zusammenhang handelt. Die Bewertung der DMP ist ohnehin schwierig, nicht zuletzt, weil (warum auch immer) keine Kontrollgruppe mitgeführt wurde.
Klar ist aber, dass ich kein Interesse daran habe, meine Bilanz dem Bundesdurchschnitt anzugleichen. Ich werde also weiterhin auf eine ergebnisorientierte Taktik setzen.