Zur Frage, was die Qualität einer Hausarztpraxis ausmacht, gibt es keine verbindlichen Kriterien. Vielmehr hängt es erheblich vom Blickwinkel und den Erwartungen ab, ob die Arbeit einer Praxis für „gut“ befunden wird.
Der Gesetzgeber hat den Ärzten vor einigen Jahren vorgeschrieben, „Qualitätsmanagementsysteme“ in den Praxen einzurichten, hat aber den Begriff der Qualität nicht definiert.
Die Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg beschrieb 2004 das Ziel
des Qualitätsmanagements: „Qualitätsmanagement zielt prinzipiell
darauf ab, dass Abläufe so stattfinden, wie sie geplant waren."
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung listet etliche Effekte auf,
die ein Qualitätsmanagement erzielen soll. Leider sind weder sogenannte
Endpunkte wie die Verminderung von Todesfällen noch Ziele wie längeres selbstständiges Leben der Patienten im
Alter dabei.
sind aber genau solche, zum Beispiel:
Die Liste ließe sich fortsetzen. Worauf es mir hier ankommt, ist:
Ich will mich in diesem Text vorzugsweise mit
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in erster Linie Herzinfarkt und
Schlaganfall, beschäftigen, weil sie
Wenn man als Hausarzt den Effekt der Bemühungen mit den bundesweiten Bevölkerungsdaten vergleichen will,
stößt man auf das Problem, dass die Patienten einer Hausarztpraxis keinen repräsentativen Querschnitt der
Bevölkerung bilden, u.a. weil junge und gesunde Leute selten zum Arzt gehen.
Deshalb kann man nicht einfach die Ergebnisse innerhalb der Praxis auf die Gesamtbevölkerung hochrechnen.
Nach 13 Jahren kassenärztlicher Tätigkeit sah die Bilanz zum Ende 2010 so aus:
Herz-Kreislauf-Todesfälle
Todesfälle wg. bösartiger Neubildungen (Tumoren)
Ursache "Herz-Kreislauf" im Verhältnis zu "Tumor"
Bundesweit
356729
216010
160%
Praxis Dr. Stähler (1997 bis 2010)
24 (Herz 21, Schlaganfall 3)
41
62%
Fazit:
Bei dieser Abweichung kann
es sich um die Auswirkung entsprechender Bemühungen der Praxis, also um
Qualität, handeln; sie könnte aber auch durch Zufall oder durch eine
unangemessen hohe Tumorsterblichkeit zu Stande gekommen sein.
Zur Zufälligkeit:
Ich
betrachte daher die Zahl der Herz-Kreislauf-Todesfälle in meiner Praxis
im Vergleich mit der zweithäufigsten Todesursache, den bösartigen
Tumoren, die beide stark vom Lebensalter abhängen. In der folgenden
Tabelle werden dazu die Tumortodesfälle gleich 100% gesetzt und
aufgelistet, wie viele Herz-Kreislauf-Todesfälle im Vergleich dazu
vorgefallen sind.
(Tumortodesfälle = 100% gesetzt)
(statistisches Jahrbuch 2008)
Angenommen, Tumoren als Todesursache seien in meiner Praxis gleich
häufig gewesen wie im Bundesdurchschnitt, so ergibt sich, dass die
Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Todesfällen bei knapp unter 40% vom
Bundesdurchschnitt gelegen hat (62% / 160% = 0,3875). Der Stand zum
Jahresende 2016 ist, dass es in der Privatpraxis seit 2011 zwei
Herztodesfälle gab, von denen einer durch eine andere Erkrankung
verursacht wurde. Es gab keinen Schlaganfalltoten und zwei Todesfälle
durch Tumoren. Die häufigste Todesursache ist zur Zeit die Infektion
bei multimorbiden Patienten durch multiresistente Bakterien.
Mit Ausnahme des Jahres 1997 (dem Jahr der Praxisübernahme) waren die
Herz-Kreislauf-Todesfälle bis 2010 jedes Jahr seltener als die
Tumortodesfälle, ingesamt 13 Mal hintereinander. "Normalerweise" hätten
sie in den meisten Jahren häufiger sein müssen. Bei gleicher
Wahrscheinlichkeit für zwei Ereignisse (z.B. beim Münzwurf) wäre die
Wahrscheinlichkeit, 13 Mal hintereinander das gleiche Ergebnis zu
bekommen, 1 : 8192, das sind ca. 0,012 %.
Zu den Tumortodesfällen:
Hier vergleiche ich die Ergebnisse meiner Praxis mit den Daten, die von
der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister auf ihrer
Internetpräsenz (www.gekid.de) veröffentlicht werden. Unter der
Vorstellung, dass (zu) späte Diagnosen schlechtere Heilungschancen und
damit vermehrte Sterblichkeit nach sich ziehen sollten, verwende ich
als Kennzahl die Sterblichkeitszahlen („Mortalität“) im Verhätnis zu
den neu aufgetretenen Fällen („Inzidenz“):
Neu diagnostizierte bösartige Erkrankungen (Inzidenz) |
Im Zeitraum verstorbene Tumorpatienten (Mortalität) |
Verhältnis Mortalität <-> Inzidenz |
|
Bundesweit 2008 |
466945 |
215442 |
46% |
Praxis Dr. Stähler 2008-2010 |
23 |
6 |
26 % |
Wenn die geringere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit durch allzu hohe Tumorsterblichkeit vorgetäuscht wäre, hätte die Tumor-Mortalität in meiner Praxis 2,5 mal höher liegen müssen als im Bundesdurchschnitt. Tatsächlich lag sie aber bei ca. 57% vom Bundesschnitt..
Neben den Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es noch etliche weitere Themen wie z.B. die bereits genannten bösartigen Krankheiten, Lungenerkrankungen (für die eine deutliche Zunahme an Häufigkeit und Bedeutung vorhergesagt wird), Medikamentenwechselwirkungen und andere, um die man sich als Hausarzt zu kümmern hat, die aber hier nicht alle abgehandelt werden können. Statt dessen will ich abschließend auf eine meines Erachtens bedeutsame Entwicklung hinweisen:
Eine
wesentliche Kennzahl, nämlich die gesunden bzw. beschwerdefreien Lebensjahre ab dem Alter von 65 Jahren
(„healthy life years“), hat sich in den letzten Jahren in Deutschland nicht sehr günstig entwickelt.
Die entsprechende Statistik ist im Jahr 2012 mit geänderter Methodik für die Jahre ab 2004 neu berechnet worden,
und weil der Einbruch hinsichtlich der gesunden Lebensjahre zwischen 2003 und 2005 liegt, ist ein Vergleich mit
den Jahren davor nicht mehr auf einen Blick möglich.
In der folgenden Tabelle habe ich deshalb die Daten von 2005 bis 2009, wie sie vor der Neuberechnung veröffentlicht wurden,
mit einbezogen. Damit können Sie sich ein Bild machen, welchen Unterschied die neue statistische Methode ausmacht.
Die Kurvengruppe rechts unten im Diagramm repräsentiert die gesunde
Lebenserwartung nach der alten und der neuen Berechnungsmethode,
Angesichts der geringen Unterschiede wird man die neue
Berechnungsmethode kaum als Grund für die Benachteilung der deutschen
Bürger gegenüber dem Durchschnittseuropäer ins Feld führen wollen.
Das einzige Ereignis überdurchschnittlicher Größenordnung, das mir im
näheren Zeitrahmen einfällt, ist die Einführung der
Disease-Management-Programme, die seit 2002 an den
Risikostrukturausgleich gekoppelt wurden, so dass es für die
Krankenkassen zur finanziellen Überlebensfrage wurde, die Programme
flächendeckend duchzusetzen. Deren Bilanz ist:
Da die Gesamtmittel begrenzt sind und die Kosten nicht durch bessere Effizienz kompensiert wurden, liegt der Schluss nahe,
dass andere Dinge dafür wegfallen mussten. Falls diese anderen Dinge unnütz gewesen sein sollten, wäre es nicht schade darum;
andernfalls aber müsste diskutiert werden, ob der Beitragszahler unter dem Strich geschädigt wurde.
Letztlich ist nicht klar, ob es sich um ein zufälliges Zusammentreffen
oder um einen ursächlichen Zusammenhang handelt. Die Bewertung der DMP
ist ohnehin schwierig, nicht zuletzt, weil (warum auch immer) keine
Kontrollgruppe mitgeführt wurde.
Klar ist aber, dass ich kein Interesse daran habe, meine Bilanz
dem Bundesdurchschnitt anzugleichen. Ich werde also weiterhin auf eine
ergebnisorientierte Taktik setzen.